Viele Patient:innen überleben durch die moderne Medizin heutzutage selbst schwerste Krankheitsverläufe. Häufig ist eine invasive Beatmung maßgeblich daran beteiligt. Insbesondere ältere Menschen und Patient:innen mit Vorerkrankungen können teilweise nur schwer von der Beatmung entwöhnt werden. Daher hat sich die Beatmungsentwöhnung, das sogenannte Weaning, inzwischen zu einer eigenen Disziplin der Beatmungsmedizin entwickelt. Zertifizierte Weaning-Zentren sind hierauf spezialisierte Intensivstationen. In ihnen können selbst als „nicht-entwöhnbar“ geltende Patient:innen häufig doch noch von der invasiven Beatmung befreit werden.
In den Weaning-Zentren bündelt sich die Fachexpertise
In den Weaning-Zentren ist alles darauf ausgelegt, das Weaning-Potenzial von Patient:innen ganz auszuschöpfen, um eine Entlassung in eine außerklinische Langzeitbeatmung zu vermeiden. Um dieses Ziel zu erreichen, arbeiten Expert:innen aus ganz unterschiedlichen Fachrichtungen interprofessionell zusammen. Neben Ärzt:innen und Pflegenden gehören Fachkräfte aus den Bereichen Physiotherapie, Atmungstherapie, Logopädie, Psychologie und dem Sozialdienst zu den Behandlungsteams. Die Situation und der Behandlungsfortschritt der einzelnen Patient:innen kann innerhalb dieses Teams täglich aus unterschiedlichen fachlichen Perspektiven bewertet werden. Dies ermöglicht eine schnelle und hochindividuelle Anpassung der diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen.
Die Entwicklung eines Behandlungsplans
Patient:innen, die in einem Weaning-Zentrum aufgenommen werden, haben die akute Krankheitsphase zwar überwunden, sind aber dennoch nicht in der Lage, eigenständig zu atmen. Oft liegt dies an einer Schwäche der Atemmuskulatur durch den langen Intensivaufenthalt, der hinter den Patient:innen liegt. Durch die intensivmedizinische Behandlung, nimmt nicht nur die Muskulatur ab, sondern es können auch die Nerven geschädigt werden, die die jeweiligen Muskeln versorgen. Zu diesen direkten Folgen der intensivmedizinischen Behandlung kommen individuelle Begleiterkrankungen sowie der eigentliche Grund für die Beatmungspflicht. All diese Faktoren haben einen Einfluss darauf, wie gut das Weaning gelingt und welche Behandlungsschritte das Weaning erleichtern können.
In einem zertifizierten Weaning-Zentrum werden all diese Aspekte in den Behandlungsplan mit einbezogen. Die individuelle Behandlungsstrategie wird im multiprofessionellen Team individuell entwickelt. Neben gezielten Therapien zur Stärkung der Atemmuskulatur, müssen internistische Begleiterkrankungen wie Diabetes mellitus, Bluthochdruck, Nierenfunktionsstörungen oder Blutarmut behandelt werden.
Die Förderung der Mobilität
Ein wesentlicher Bestandteil jeder Behandlungsstrategie in den Weaning-Zentren ist die Förderung der Mobilität. Die physiotherapeutischen Maßnahmen reichen von einem passiven Durchbewegen der Gelenke bei (noch) bettlägerigen Patient:innen bis zum Training auf einem Fahrradergometer. Daneben übernehmen insbesondere Atmungstherapeut:innen die gezielte Stärkung der Atemmuskulatur: Atemübungen verbessern das Lungenvolumen, Trainieren die Muskulatur und vermitteln den Patient:innen wichtige Strategien, um die Atmung und den Hustenstoß zu verbessern.
Alle Maßnahmen werden täglich neu und individuell an den aktuellen Zustand der Patient:innen angepasst. Auch am Wochenende wird die Physiotherapie durchgeführt.
Das Ziel der Weaning-Zentren
Das oberste Ziel in den Weaning-Zentren ist, die Patient:innen vollständig von der Beatmung zu entwöhnen. Doch dies gelingt auch hier leider nicht immer. In diesem Fall wollen die Weaning-Zentren das höchstmögliche Maß an Selbstständigkeit für Patient:innen und ihre Angehörigen erreichen. Denn jede Tätigkeit, die Patient:innen eigenständig durchführen können, steigert ihre Lebensqualität und ihre Selbstbestimmung.
Wird klar, dass eine Patientin oder ein Patient nicht entwöhnt werden kann, unterstützen Psycholog:innen und Mitarbeiter:innen des Sozialdienstes die Patient:innen und ihre Angehörigen bei den nächsten Schritten. Neben der Maximierung der Selbstständigkeit stehen dann ganz praktische Fragen im Fokus: Können die Patient:innen zu Hause gepflegt werden? Welche Geräte müssen dafür angeschafft und welche Anträge gestellt werden? Auch in diesem Bereich unterstützt das Weaning-Zentrum.
Was möchte PRiVENT erreichen?
Mit PRiVENT möchten wir die Kompetenz und die interprofessionelle Zusammenarbeit nach dem Vorbild der Weaning-Zentren in möglichst viele Krankenhäuser bringen. Unser Ziel ist, Krankenhäuser und Kliniken dabei zu unterstützen, das Weaning auf ihren Intensivstationen zu verbessern. Zudem möchten wir ein Prognosemodell entwickeln, mit dem Risikofaktoren für eine Langzeitbeatmung frühzeitig erkannt werden können. Mit seiner Hilfe sollen bereits zu Beginn einer Beatmung alle Weichen für das spätere Weaning gestellt werden. So wollen wir erreichen, dass möglichst viele Patient:innen gar nicht erst von einer langfristigen invasiven Beatmung abhängig, sondern schnell wieder davon befreit werden.
Haben Sie Fragen oder benötigen Sie Informationsmaterial?
In unserem Downloadbereich können Sie sich gerne die Flyer für Patienten oder Fachkreise herunterladen. Auf der Startseite finden Sie darüber hinaus ein Erklärvideo, das PRiVENT kurz und knapp erklärt. Mehr Informationen zum Projekt PRiVENT und rund um die Themen Beatmung und Beatmungsentwöhnung finden Sie auch in unserem Blog und im PRiVENT-Podcast.