Februar 15, 2024

Kinder als Angehörige – Wenn Eltern auf der Intensivstation liegen

Wenn ein Elternteil auf der Intensivstation (ITS) liegt, stellt dies eine enorme emotionale Belastung für die ganze Familie dar. Besonders Kinder sind in solchen Situationen sehr verletzlich, da sie die Umstände oft nicht vollständig verstehen können. Ein sensibler Umgang mit dieser Thematik ist daher von größter Bedeutung. Wir möchten in diesem Artikel beleuchten, wie Kinder schonend einbezogen und Besuche konkret gestaltet werden können, wenn ein Elternteil auf der ITS liegt.

Beginnen möchten wir mit einem Abschnitt, der auf die kindliche Wahrnehmung im Allgemeinen eingeht.

 

Die Herausforderung verstehen: Kinder und kritisch Kranke

Wenn ein enges Familienmitglied so schwer erkrankt oder verunfallt, dass es intensivmedizinisch behandelt werden muss, stellt dies für die Angehörigen eine Ausnahmesituation dar. Oftmals drehen sich der gesamte Alltag sowie die eigenen Gedanken nur noch um das betroffene Familienmitglied im Krankenhaus. Für Kinder bedeutet dies eine doppelte Belastung: Ein Elternteil fehlt ganz, das andere ist emotional angegriffen und dünnhäutig – die emotionale Stütze geht den Kindern verloren. Vor allem im Vorschulalter beziehen Kinder solche Veränderungen häufig auf sich.

 

„Ist das meine Schuld?“, ist eine Frage, die Kinder zwar selten explizit formulieren, aber sich dennoch recht häufig stellen. Bis zum Alter von etwa sieben Jahren nehmen Kinder die Welt sehr Ich-zentriert wahr und glauben oftmals auch, ihre Wünsche und Gedanken könnten Auswirkungen auf die Realität haben. Die physische oder psychische Abwesenheit der Eltern können sie daher leicht als Zurückweisungen dieser fehlinterpretieren. Unter Umständen kämpft das Kind also mit den Gedanken, die Krankheit und den emotionalen Ausnahmezustand der Eltern verschuldet zu haben. Es ist wichtig, dies im Hinterkopf zu behalten und mit dem Kind auch darüber zu sprechen.

 

Kinder als Besucher auf der Intensivstation

Der Besuch auf einer Intensivstation kann für Kinder ein beängstigendes Erlebnis sein. Die vielen Geräte, Geräusche und die Anwesenheit schwer kranker Menschen können Unruhe und Ängste auslösen. Kinder benötigen daher eine besondere Vorbereitung und Begleitung, um diese Situation bewältigen zu können. Es ist wichtig, ihnen Sicherheit zu vermitteln und ihre Fragen ehrlich, aber altersgerecht zu beantworten.

 

Bei einem Besuch auf der ITS muss die Bezugsperson daher in der Lage sein, die eigenen Sorgen zurückzustellen und sich voll auf das Kind zu konzentrieren. Das Pflegepersonal kann die Verantwortung für die Betreuung nicht übernehmen. Nicht nur, weil ihre Zeit dies nicht erlaubt, da sie sich um die Patient:innen kümmern müssen. Ein ganz entscheidender Punkt ist auch, dass Kinder in dieser Situation eine Bezugsperson brauchen, die sie kennen, bei der sie sich geborgen fühlen und der sie vertrauen.

 

Kinder sollten (so weit wie möglich) einbezogen werden

Wie bereits erwähnt, bekommen Kinder den emotionalen Ausnahmezustand der Angehörigen sowieso mit. Sie von den eigenen Sorgen generell abzuschirmen, um sie „zu schonen“, ist daher häufig eher kontraproduktiv. Stattdessen ist ein authentischer und offener Umgang für die meisten Kinder hilfreicher. Sie empfinden sich dann als Mitglied der sich sorgenden Gemeinschaft und fühlen sich vor allem nicht ausgeschlossen. Wichtig ist natürlich ein altersgerechter Umgang. Dies gilt sowohl für die Zeit zu Hause als auch bei einem Besuch auf der ITS. Denn auch im Krankenhaus kann man Kinder mit kleinen „Aufgaben“ in die Versorgung miteinbeziehen und ihnen dadurch ein wenig ihrer Hilflosigkeit nehmen. Dies kann zum Beispiel das Anreichen eines Wasserglases sein oder das Zeichnen von Bildern für das Krankenzimmer oder das Intensivtagebuch. Das Einbeziehen vermittelt Kindern ein Gefühl der Zugehörigkeit und zeigt, dass sie einen wichtigen Beitrag leisten können. Pflegefachkräfte spielen eine Schlüsselrolle, indem sie die Kinder anleiten und ihnen vermitteln, wie sie unterstützen können.

 

Was ist beim Besuch eines Kindes auf der Intensivstation zu beachten?

Die richtige Ausgangsbasis schaffen

Die Vorbereitung auf den Besuch beginnt mit einer altersgerechten Erklärung darüber, was das Kind auf der ITS erwarten wird. Bücher oder Broschüren können dabei helfen, die Situation vorab zu visualisieren und zu erklären. Zur Vorbereitung gehört übrigens auch die Frage, ob das Kind überhaupt auf die ITS möchte! Kinder sollten niemals zu einem Besuch gedrängt werden – weder der Patientin oder dem Patienten zuliebe („Aber die Mama/der Papa würden sich doch so über deinen Besuch freuen!“), noch um das Kind vor einem späteren Bereuen zu schützen.

Offene und ehrliche Gespräche über den Zustand des Elternteils sind wichtig. Kinder sollten über die Erkrankung und die notwendigen Behandlungen informiert werden, allerdings in einer Weise, die ihrem Alter und ihrer Verständnisfähigkeit entspricht. Die Beatmung eines Elternteils kann besonders beängstigend für Kinder sein. Eine kindgerechte Erklärung, was ein Beatmungsgerät macht und warum es notwendig ist, kann helfen, Ängste im Vorfeld abzubauen. Es kann auch nützlich sein, Vergleiche zu ziehen, die im Alltag der Kinder vorkommen, wie das Aufpusten eines Luftballons, um zu illustrieren, wie die Lunge unterstützt wird.

 

Die Pläne mit der Klinik abstimmen

Besuche mit Kindern sollten unbedingt im Vorfeld mit dem medizinischen und dem pflegerischen Team besprochen werden. Einige Krankenhäuser bieten auch zusätzliche Unterstützungsmöglichkeiten wie Seelsorger:innen oder Sozialarbeiter:innen an.

Auch die Wartezeit ist ein wichtiger Faktor. Besuche auf der ITS sind meist an das Pflegepersonal gekoppelt: solange sie keine Zeit haben, müssen die Besucher:innen sich gedulden. Stimmen Sie Ihren Besuch daher unbedingt mit dem Personal ab. Denn Warten wird für Kinder schnell zur Tortur.

Da es trotz aller Vorbereitung passieren kann, dass das Klinikpersonal z. B. zu einem Notfall muss und sich der Besuch dadurch verzögert, denken Sie bitte an Beschäftigungsmöglichkeiten für Ihre Kinder.

 

Beim Besuch ist das Kind der heimliche Mittelpunkt

Die Begleitung der Kinder auf der ITS sollte so gestaltet werden, dass sie sich sicher und geborgen fühlen. Spielzeug oder das Mitbringen eines Lieblingskuscheltiers können dabei helfen, eine vertraute Atmosphäre zu schaffen. Oft kann es hilfreich sein, nicht allein mit seinem Kind auf die ITS zu gehen, sondern eine weitere enge Bezugsperson mitzunehmen, die zusätzliche emotionale Stabilität bietet.

Achten Sie sehr genau auf Zeichen der Überforderung und beenden Sie den Besuch dann umgehend. Nehmen Sie sich im Anschluss an den Besuch außerdem ausgiebig Zeit, mit dem Kind über seine Eindrücke und Gefühle zu sprechen.

 

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