August 15, 2024

Trachealkanülen: Lebensretter in unterschiedlichen Gestalten

Trachealkanülen retten Leben und sind aus der Intensivmedizin nicht mehr wegzudenken. Doch was genau ist eine Trachealkanüle und welche unterschiedlichen Varianten gibt es? Vor allem aber: Was bedeutet eine Trachealkanüle für die Betroffenen? Zu diesen und weiteren Fragen rund um die Trachealkanüle wollen wir Ihnen mit diesem Artikel eine Übersicht geben.

 

Was ist eine Trachealkanüle und wann wird sie eingesetzt?

Eine Trachealkanüle ist ein medizinisches Hilfsmittel, das in die Luftröhre (Trachea) eingesetzt wird, um die Atemwege offen zu halten und die Atmung bzw. Beatmung zu erleichtern oder überhaupt erst zu ermöglichen. Für Menschen, die aufgrund von Krankheiten oder Verletzungen Schwierigkeiten beim Atmen haben, ist die Trachealkanüle oft lebensrettend.

Der Einsatz einer Trachealkanüle ist in der Regel dann erforderlich, wenn Patient:innen langfristig oder vorübergehend eine sichere Atemwegshilfe benötigen. Hier sind einige häufige Indikationen für die Verwendung einer Trachealkanüle:

 

  • Akute Atemwegserkrankungen: Bei schweren Atemwegserkrankungen wie akut exazerbierter chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD), Lungenentzündung oder akutem Atemnotsyndrom kann ein Tubus die Atmung unterstützen und eine mechanische Beatmung ermöglichen, sobald eine NIV-Beatmung (nicht-invasive Beatmung) nicht mehr ausreicht oder aus medizinischen Gründen nicht eingesetzt werden kann. Wenn dieser nach Besserung des akuten Problems nicht entfernt werden kann (schwierige oder verlängerte Beatmungsentwöhnung), kann auf eine Trachealkanüle gewechselt werden, um die Atemwiderstände zu senken, das Sprechen zu ermöglichen und besser Sekret absaugen zu können. Außerdem ist die Trachealkanüle ein sichererer Atemweg als der Tubus,
  • Langzeitbeatmung: Patient:innen, die aufgrund neurologischer Erkrankungen wie Amyotropher Lateralsklerose (ALS) oder schwerer Schädel-Hirn-Traumata nicht mehr selbständig atmen können oder deren Atemmuskulatur aufgrund einer chronischen Atemwegserkrankung wie COPD überlastet sind, benötigen oft eine Trachealkanüle zur Langzeitbeatmung. Sie ermöglicht eine stabile und dauerhafte Beatmung über Wochen, Monate oder sogar Jahre hinweg.
  • Schutz der Atemwege: Bei Patient:innen mit erhöhtem Aspirationsrisiko, beispielsweise nach einem Schlaganfall oder bei neuromuskulären Erkrankungen, kann eine Trachealkanüle das Eindringen von Nahrung, Flüssigkeiten oder Speichel in die Lunge verhindern und somit das Risiko schwerer Lungeninfektionen verringern (s.u.).
  • Chirurgische Eingriffe: Nach großen Operationen im Hals- und Kopfbereich, wie etwa Tumorentfernungen, kann eine Trachealkanüle notwendig sein, um die Atemwege offen zu halten, während die Heilung stattfindet und Schwellungen abklingen.
  • Traumatische Verletzungen: Bei traumatischen Verletzungen des Halses oder der Luftröhre, wie z.B. mit einem Messer, die eine Blockade oder Schädigung der Atemwege verursachen, wird häufig eine Trachealkanüle eingesetzt, um eine ausreichende Luftzufuhr sicherzustellen und lebensbedrohliche Komplikationen zu vermeiden.
  • Temporäre Unterstützung: In manchen Fällen wird eine Trachealkanüle auch nur vorübergehend benötigt, beispielsweise bei Patient:innen, die nach einer schweren Infektion oder einem chirurgischen Eingriff mittelfristig Unterstützung bei der Atmung benötigen, bis sie wieder eigenständig atmen können und die Zeit für einen Tubus zu lang wäre.

 

Verschiedene Arten von Trachealkanülen

Trachealkanülen, die zur Beatmung eingesetzt werden, sind zumeist aus Kunststoffen. Am häufigsten kommen Kanülen aus PVC, Silikon oder Polyurethan zum Einsatz. Darüber hinaus gibt es verschiedene Ausführungen, die vor allem nach den medizinischen Anforderungen ausgewählt werden. Die wichtigsten Merkmale wollen wir Ihnen hier vorstellen:

 

Geblockte Trachealkanülen

Geblockte Trachealkanülen verfügen über einen aufblasbaren Ballon (Cuff) am unteren Ende, der nach dem Einführen der Kanüle in die Trachea aufgeblasen wird. Dieser Cuff dichtet die Atemwege ab und verhindert das Eindringen z.B. von Speichel oder Mageninhalt in die Lunge, was besonders bei Patient:innen mit einem hohen Aspirationsrisiko wichtig ist (unter Aspiration versteht man das Eindringen von flüssigen oder festen Stoffen in die Atemwege während der Einatmung).

 

Vorteile:

  • Reduziert das Risiko von Aspiration.
  • Bietet eine bessere Beatmungskontrolle.

 

Nachteile:

  • Kann die Trachealschleimhaut reizen.
  • Erfordert regelmäßige Drucküberwachung des Cuffs.
  • Sprechen nicht möglich

 

Ungeblockte Trachealkanülen

Ungeblockte Kanülen haben keine Manschette und lassen daher Luft um die Kanüle herum zirkulieren, was das Sprechen und Schlucken erleichtern kann. Sie ermöglichen parallel zur Beatmung eine natürlichere Atmung über die oberen Atemwege und kommen häufig bei Patient:innen zum Einsatz, bei denen keine Aspirationsgefahr besteht und die in der Lage sind, zumindest teilweise selbstständig zu atmen.

 

Vorteile:

– Ermöglicht eine natürliche Luftzirkulation.

– Weniger invasive Wirkung auf die Trachea.

– Sprechventil möglich (s.u.)

 

Nachteile:

– Höheres Risiko für Aspiration.

– Weniger Schutz gegen äußere Einflüsse.

 

Trachealkanülen mit Seele

Diese Kanülen haben eine innere Kanüle (Seele), die herausgenommen und gereinigt werden kann, ohne die gesamte Kanüle entfernen zu müssen. Dies erleichtert die Pflege und die Sicherstellung eines freien Atemwegs.

Flexible Kanülen

Flex-Kanülen sind aus weichem Material wie zum Beispiel Silikon gefertigt, das sich der Anatomie der Patient:innen besonders gut anpasst. Sie bieten mehr Komfort und Bewegungsfreiheit, besonders bei Patient:innen, die körperlich mobil sind oder häufige Positionsänderungen benötigen.

 

Vorteile:

– Höherer Tragekomfort.

– Geringe Reizung der Trachea.

 

Nachteile:

– Können bei starker Bewegung verrutschen.

– Benötigen häufige Anpassungen und Überprüfungen.

 

Doch nicht nur das Material und die hier beschriebenen Besonderheiten verschiedener Trachealkanülen sind entscheidend für die Wahl und Akzeptanz der „richtigen“ Trachealkanüle. Wichtig sind zum Beispiel auch ihre Länge sowie der Krümmungsradius und natürlich auch ihr Innen- und Außendurchmesser. Diese Parameter werden durch die Anatomie des zu beatmenden Menschen sowie die medizinischen Anforderungen bestimmt.

 

Zubehör für Trachealkanülen

Es gibt verschiedene Zubehörteile, die die Funktion und den Komfort der Trachealkanüle verbessern können. Darunter zum Beispiel:

  • HME-(Heat-Moisture-Exchanger-)Filterkassetten: Dabei handelt es sich um Wärme- und Feuchtigkeitsaustauscher, die direkt auf die Trachealkanüle aufgeschraubt werden können. Sie helfen, die Atemluft zu befeuchten und zu erwärmen – also die Aufgabe, die eigentlich Mund und Nase übernehmen.
  • Sprechaufsätze: Es gibt unterschiedliche Varianten. In der Regel werden Ventile verwendet, die den Luftstrom zu den Stimmbändern leiten.
  • Kanülenverschlüsse: Sie werden verwendet, um die Kanüle vorübergehend zu verschließen und so den Luftstrom durch die natürlichen Atemwege zu ermöglichen.

 

Die Trachealkanüle aus Sicht der Betroffenen

Eine Trachealkanüle sichert das Überleben der Betroffenen durch ein Offenhalten der Atemwege. Die daraus resultierende Abhängigkeit kann für die Betroffenen beängstigend und belastend sein. Zu dieser Abhängigkeit kommen noch weitere Einschränkungen. So können insbesondere Patient:innen mit einer geblockten Kanüle nicht mehr Riechen und Schmecken, da die Atemluft an Nase und Mund vorbei geleitet wird. Auch das Schlucken wird durch die Kanüle enorm behindert. Der dadurch entstehende Speichelüberschuss muss abgesaugt werden, damit er weder in die unteren Atemwege gelangt noch die Kanüle verstopft.

 

Dazu kommt eine Art „Gewöhnungseffekt“: Ist Ihnen schon einmal aufgefallen, dass Sie zwar ein kleines Insekt sofort spüren, das auf Ihrem Arm landet, Ihre Kleidung jedoch nicht? Etwas ähnliches geschieht durch die ständige Reizung des Rachens durch Speichel und Trachealkanüle. Die Sensibilität reduziert sich, wodurch Betroffene zwar Kanüle und Speichel weniger wahrnehmen, aber auch die natürlichen Mechanismen zur Reinigung und zum Schutz der Atemwege wie Räuspern oder Husten seltener werden. Unabhängig davon sind diese Mechanismen durch die Kanüle auch weniger effektiv. Beides erhöht das Risiko des Verschluckens, wodurch Flüssigkeit oder Nahrung in die Lunge geraten können – die Vermehrung von Keimen und damit ein erhöhtes Risiko für eine Lungenentzündung sind mögliche Folgen. Stärkere äußere Reize, wie sie zum Beispiel bei einer Bewegung auftreten können, nehmen Betroffene hingegen häufig als unangenehm oder sogarschmerzhaft im Rachen war. In der Folge nehmen Betroffene oft eine Schonhaltung ein und vermeiden Bewegungen, was ebenfalls zu Problemen führen kann, darunter zum Beispiel Verspannungen oder sogar Abbau von Muskulatur.

 

Kurzum: Eine Trachealkanüle kann überlebensnotwendig sein und ermöglicht je nach medizinischen Umständen ein Leben, das trotz Beatmung ein hohes Maß an Eigenständigkeit bewahrt. Doch ohne Risiken bleibt die Beatmung über eine Trachealkanüle nicht. Mit ein Grund, weshalb wir mit PRiVENT versuchen, möglichst alle Menschen von einer invasiven Beatmung über die Trachealkanüle zu entwöhnen, bei denen die Entwöhnung möglich ist.

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