Das Weaning, also die Entwöhnung von der maschinellen Beatmung, ist für beatmete Patient:innen der zentrale Schritt auf dem Weg zurück zur selbstständigen Atmung. Rund um dieses Thema ranken sich leider viele Mythen, die Betroffene und ihre Familien verunsichern können. In diesem Beitrag klären wir die häufigsten Missverständnisse über das Weaning auf und liefern wissenschaftlich fundierte Fakten, die Mut machen und Orientierung bieten.
Häufige Mythen und ihre Klarstellung
Mythos 1: “Weaning gelingt nur bei jungen und fitten Menschen.”
Fakt: Das Alter oder der allgemeine Gesundheitszustand den Verlauf des Weanings zwar beeinflussen, sind aber keine absoluten Hindernisse. Studien zeigen, dass auch ältere und vorerkrankte Menschen erfolgreich von der Beatmung entwöhnt werden können. Entscheidend sind individuelle Therapieansätze und eine gute medizinische, pflegerische, therapeutische und psychologische Betreuung. Genau die Faktoren, die wir mit PRiVENT auch jenseits zertifizierter Weaning-Zentren etablieren und stärken wollen.
Mythos 2: “Wer lange beatmet wurde, wird nie wieder selbstständig atmen können.”
Fakt: Längere Beatmungszeiten können den Weaning-Prozess erschweren, machen ihn aber nicht unmöglich! Mithilfe moderner Weaning-Strategien, physiotherapeutischer Unterstützung und gezielter Atemübungen können auch Patient:innen, die über einen längeren Zeitraum invasiv beatmet wurden, lernen, schrittweise wieder eigenständig zu atmen.
Mythos 3: “Maschinelle Beatmung macht abhängig.”
Fakt: Maschinelle Beatmung ist eine lebensrettende Maßnahme, keine Sucht. Wenn Patient:innen Schwierigkeiten beim Weaning haben, liegt dies meist an zugrunde liegenden Erkrankungen oder an einer geschwächten Atemmuskulatur – nicht an einer „Abhängigkeit“ von der Maschine. Durch gezieltes Training kann die Atemmuskulatur wieder gestärkt werden, während gleichzeitig durch psychologische Betreuung den Patient:innen wieder Vertrauen in die eigene Atmung vermittelt wird.
Mythos 4: “Wenn das Weaning nicht schnell abgeschlossen ist, gelingt es nicht.”
Fakt: Der Verlauf des Weanings (und damit auch seine Dauer) variiert stark von Patient:in zu Patient:in. Während einige Betroffene innerhalb von Stunden oder Tagen entwöhnt werden können, dauert es bei anderen Wochen oder sogar Monate. Geduld und individuelle Anpassung der Therapie sind die Schlüsselfaktoren, die zum Erfolg führen. Lassen Sie sich also bitte keinesfalls verunsichern oder gar entmutigen, wenn der Prozess länger dauert!
Mythos 5: “Rückschläge bedeuten, dass das Weaning gescheitert ist.”
Fakt: Rückschläge sind frustrierend und ernüchternd, aber leider völlig normal. Sie gehören fast immer zum Weaning-Prozess dazu, sind also nicht mit dem Scheitern des Weanings gleichzusetzen. Das medizinische Team passt den Plan an die individuellen Bedürfnisse an und stellt sicher, dass die Belastung nur langsam gesteigert wird. So sollen Rückschläge so gut es geht vermieden werden, da sie für alle Beteiligten auch psychisch anstrengend sind. Ganz ausschließen lassen sie sich leider dennoch nicht immer.
Mythos 6: „Weaning ist ein kontinuierlich laufender Prozess.“
Fakt: Selbst wenn es keine Rückschläge gibt, ist das Weaning kein geradliniger Prozess. Manchmal scheint es über lange Zeit keine Fortschritte zu geben und auf einmal geht es in großen Schritten weiter. Es gibt viele Faktoren, die den individuellen Fortschritt bestimmen. Neben medizinischen hat zum Beispiel auch die körperliche und seelische Tagesform der Patientin oder des Patienten einen Einfluss.
Wissenschaftliche Fakten über das Weaning
Die meisten Patient:innen, die aufgrund einer akuten Erkrankung beatmet werden mussten, können erfolgreich entwöhnt werden. Auch wenn sie zusätzlich an einer schweren chronischen Erkrankung der Atemwege leiden, schließt dies ein Weaning nicht zwingend aus. Mit PRiVENT möchten wir eine Früherkennung von solchen Risikofaktoren entwickeln und das Know-How für eine gezielte Behandlung dieser Patient:innen in möglichst vielen Krankenhäusern in Baden-Württemberg etablieren. Das Ziel ist, Behandlungsmethoden und Vorgehensweisen neu zu bewerten und zu optimieren, um so eine Langzeitbeatmung weitestgehend zu verhindern. Multidisziplinäre Teams, die u.a. aus Ärzt:innen, Pflegekräften, Atmungs- und Physiotherapeut:innen sowie Psycholog:innen bestehen, sind entscheidend für den Erfolg.
Das Weaning ist ein individueller und oft komplexer Prozess, der von vielen Faktoren abhängt. Fehlinformationen können unnötig Ängste schüren. Mit der richtigen Aufklärung und einem geduldigen, positiven Ansatz können Betroffene und ihre Familien jedoch realistische Erwartungen entwickeln und selbstbewusst mit dem Prozess umgehen.
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