April 25, 2025

Tuberkulose: Eine unterschätzte Gefahr kehrt zurück

Am 24. März war Welt-Tuberkulose-Tag. Ein Grund für uns, auch im Licht der aktuellen politischen Entwicklungen, einen Fokus-Artikel zum Thema zu veröffentlichen.

 

Tuberkulose (TB oder TBC) ist eine der ältesten bekannten Infektionskrankheiten der Menschheit. Aufgrund ihres schleichenden Verlaufs wurde sie früher auch als Schwindsucht bezeichnet. Obwohl TBC in vielen Teilen der Welt als besiegt galt, erlebt die Erkrankung derzeit ein besorgniserregendes Comeback. Dieser Artikel beleuchtet die Natur der Krankheit, ihre Gefährlichkeit, die Situation in Deutschland und die globalen Herausforderungen im Kampf gegen TBC. Und auch, warum die aktuelle Politik in den USA dramatische Auswirkungen auf den weltweiten Kampf gegen TBC hat.

 

Was ist Tuberkulose?

Tuberkulose wird durch das Bakterium Mycobacterium tuberculosis verursacht und betrifft hauptsächlich die Lunge, kann jedoch auch andere Organe befallen. Die Übertragung erfolgt durch Tröpfcheninfektion, beispielsweise beim Husten oder Niesen erkrankter Personen. Typische Symptome sind anhaltender Husten, Brustschmerzen, Gewichtsverlust, Fieber und Nachtschweiß. Unbehandelt kann TBC tödlich verlaufen.

 

Warum ist Tuberkulose so gefährlich?

Die Gefährlichkeit der Tuberkulose liegt in mehreren Faktoren begründet:

  1. Latente Infektionen: Viele Menschen, die das Bakterium in sich tragen, zeigen keine Symptome. Bei Schwächung des Immunsystems kann die Krankheit jedoch ausbrechen.
  2. Hohe Ansteckungsgefahr: Eine erkrankte Person kann zahlreiche andere anstecken, insbesondere in dicht besiedelten Gebieten.
  3. Resistenzentwicklung: Es gibt zunehmend multiresistente TBC-Stämme, die gegen gängige Antibiotika unempfindlich sind, was die Behandlung erschwert.

 

Wo tritt Tuberkulose am häufigsten auf?

Tuberkulose ist vor allem in Ländern mit schwacher Gesundheitsinfrastruktur, hoher Bevölkerungsdichte und hoher Armut stark verbreitet. Auch eine mangelnde Hygiene sowie eine schlechte Wasser-Ver- und Entsorgung spielen eine Rolle. Laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) kommen rund zwei Drittel aller TBC-Fälle weltweit aus nur acht Ländern: Indien, Indonesien, China, den Philippinen, Pakistan, Nigeria, Bangladesch und der Demokratischen Republik Kongo. Betroffen sind auch einige Länder in Osteuropa und Zentralasien, wo vor allem multiresistente TBC-Stämme ein wachsendes Problem darstellen.

 

Die Unterschiede in der globalen Verteilung verdeutlichen, wie stark soziale und wirtschaftliche Faktoren das Risiko einer TBC-Erkrankung beeinflussen. Ohne gezielte Maßnahmen in diesen Hochrisikogebieten ist eine weltweite Eindämmung kaum möglich. Und genau hier spielt auch die aktuelle trumpsche Politik eine traurige Rolle (s.u.).

 

Die Situation in Deutschland

Dass Tuberkulose in Deutschland überhaupt noch vorkommt, ist kaum bekannt. Und tatsächlich ist die Zahl der TBC-Fälle seit Jahrzehnten rückläufig – aber eben nicht Null. Im Jahr 2024 wurden laut vorläufigen Daten des Robert Koch-Instituts (RKI) 4.391 neue Tuberkulosefälle registriert (entspricht etwa 0,00525 % der Bevölkerung von Deutschland), was einen leichten Rückgang gegenüber dem Vorjahr darstellt. Diese niedrige Inzidenz führte dazu, dass die Ständige Impfkommission (STIKO) bereits 1998 die allgemeine Empfehlung für die Bacillus Calmette-Guérin (BCG)-Impfung gegen Tuberkulose aufgehoben hat. Gründe hierfür waren das geringe Infektionsrisiko, die moderate Wirksamkeit der Impfung und deren mögliche Nebenwirkungen.

 

Globale Bemühungen zur Ausrottung bis 2030

Die WHO verfolgt mit ihrer 2014 gestarteten End TB Strategy ein ambitioniertes Ziel: Bis zum Jahr 2030 soll die weltweite Tuberkulose-Epidemie beendet werden. Das bedeutet konkret: eine Reduktion der TBC-Inzidenz um 80 % und der TBC-Todesfälle um 90 % gegenüber dem Jahr 2015. Zudem sollen keine betroffenen Familien mehr durch die Erkrankung in finanzielle Not geraten. Diese Zielmarken sind Teil der nachhaltigen Entwicklungsziele der Vereinten Nationen – ein Symbol dafür, dass Gesundheit als globales Gut verstanden werden muss.

Tatsächlich konnten in einigen Regionen Fortschritte erzielt werden. Marokko etwa hat seine TBC-Fallzahlen mit gezielten Screening-Kampagnen und besserer medikamentöser Versorgung deutlich gesenkt. Auch Osteuropa und Zentralasien verstärkten ihre politischen und finanziellen Zusagen, um der WHO-Strategie zum Erfolg zu verhelfen.

 

Reiches Desinteresse: Wenn der Markt nicht mitspielt

Doch es gibt ein grundlegendes Problem im Kampf gegen Tuberkulose: In wohlhabenden Ländern wie Deutschland, den USA oder weiten Teilen Europas tritt die Krankheit nur noch selten auf – was dazu führt, dass das öffentliche Interesse hier gering ist. Und: Wo kein Markt, da auch kaum Forschung. Pharmaunternehmen investieren ungern in die Entwicklung neuer Medikamente, Impfstoffe oder Diagnostika, wenn kein finanzieller Rücklauf zu erwarten ist. Tuberkulose betrifft vor allem Menschen in Ländern mit niedrigen und mittleren Einkommen – also genau dort, wo die Zahlungsfähigkeit für neue Präparate begrenzt ist.

Die wenigen vorhandenen Medikamente stammen aus Jahrzehnten alter Forschung, sind langwierig in der Anwendung und teilweise schlecht verträglich. Außerdem gibt es (s.o.) gegen diese mittlerweile unterschiedliche Resistenzen. Neue, wirksamere Therapien oder gar ein moderner Impfstoff wären dringend nötig, aber es fehlt an politischem und wirtschaftlichem Druck – auch, weil das Thema in reichen Ländern nicht als Bedrohung wahrgenommen wird.

 

Rückschritte durch politische Entscheidungen

Besonders kritisch wirkt sich aktuell der Kurswechsel der USA aus. Die US-Regierung unter Präsident Donald Trump hat mit Unterstützung von Elon Musk die US-Behörde für internationale Entwicklung (USAID) weitgehend aufgelöst. Diese Behörde finanzierte zahlreiche globale Gesundheitsprogramme, darunter auch solche zur Bekämpfung der Tuberkulose. Das abrupt gestoppte Engagement der USA hat in vielen Ländern, insbesondere in Afrika und Indien, zu erheblichen Finanzierungslücken geführt und gefährdet u.a. die bisherigen Fortschritte im Kampf gegen TBC. Gesundheitsexpert:innen warnen, dass die Einstellung dieser Hilfen nicht nur die betroffenen Länder, sondern auch andere Regionen, einschließlich Europa und die USA, gefährden könnten.

 

Was die Entscheidungen der Trump-Regierung besonders kurzsichtig und unverständlich macht: In den USA selbst steigen die TBC-Zahlen wieder. Im Jahr 2024 wurden in den USA über 10.300 TBC-Fälle registriert, ein Anstieg von 8% gegenüber dem Vorjahr und der höchste Wert seit 2011. Expert:innen warnen, dass diese Entwicklung nicht nur hausgemacht ist, sondern auch ein Weckruf: Wenn globale Gesundheitsprogramme vernachlässigt werden, kehren vermeintlich besiegte Krankheiten auch in reiche Gesellschaften zurück. Mobilität, Migration und Klimawandel tun ihr Übriges, um lokale Gesundheitsprobleme zu globalen Risiken zu machen. Insbesondere, da die Zahl der Antibiotika-Resistenzen steigt. Die hohe Zahl abgebrochener Behandlungen der letzten Wochen durch die gestoppten Finanzierungen von Hilfsprogrammen kippen Öl ins Feuer der Resistenzbildung.

 

Ein realistisches Bild: Ziel 2030 in Gefahr

Angesichts dieser Entwicklungen scheint das Ziel einer weltweiten Ausrottung der Tuberkulose bis 2030 zunehmend unrealistisch. Zwar gibt es vereinzelt Fortschritte, aber die Schere zwischen Ländern mit funktionierenden Gesundheitssystemen und solchen, die auf internationale Hilfe angewiesen sind, geht weiter auseinander. Ohne koordinierte, langfristig gesicherte Finanzierung, politisches Engagement und wirtschaftliche Anreize für Forschung und Entwicklung wird sich TBC nicht stoppen lassen.

Tuberkulose ist eben nicht nur ein medizinisches Problem – sie ist ein Spiegelbild globaler Ungleichheiten. Und solange Gesundheitspolitik von wirtschaftlicher Rentabilität abhängig gemacht wird und Hilfsprogramme von Milliardären als „unnötige und damit streichbare Kosten“ markiert werden können, bleiben Millionen Menschen gefährdet – auch von einer Krankheit, die eigentlich längst besiegt sein könnte.

 

Fazit

Tuberkulose bleibt eine ernstzunehmende globale Gesundheitsbedrohung. Auch wenn in wohlhabenden Ländern wie Deutschland die Fallzahlen momentan niedrig sind, zeigen aktuelle Entwicklungen, dass die Krankheit noch lange nicht besiegt ist. Internationale Zusammenarbeit und kontinuierliche finanzielle Unterstützung sind essenziell, um die ehrgeizigen Ziele der WHO zu erreichen und einen weltweiten Rückfall zu verhindern.

 

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