Als regelmäßige:r Leser:in unserer Seite wissen Sie, dass das Weaning den schrittweisen Prozess beschreibt, in dem Patient:innen nach einer maschinellen Beatmung wieder lernen, selbstständig zu atmen. Besonders nach schweren Erkrankungen, Operationen oder Verletzungen kann es schwierig sein, das Atemsystem und den Körper behutsam wieder an die eigenständige Atmung zu gewöhnen.
Dieser Prozess ist oft langwierig und erfordert Unterstützung von verschiedenen Fachkräften. In diesem Artikel wollen wir noch einmal genauer alle Berufsgruppen vorstellen, die beim Weaning beteiligt sind und mit welchen Maßnahmen sie beatmete Menschen und ihre Angehörigen auf dem Weg zur selbstständigen Atmung unterstützen.
Ärzt:innen: Die medizinische Leitung und Überwachung
Die Ärzt:innen, besonders aus den Bereichen Intensivmedizin, Anästhesie und Pneumologie, leiten und überwachen den gesamten Weaning-Prozess. Sie sind dafür verantwortlich, den aktuellen Gesundheitszustand zu beurteilen und die Fortschritte beim Weaning zu dokumentieren. Sie entscheiden auch über die richtige Beatmungseinstellung und passen diese schrittweise an, um die Patient:innen nach und nach von der maschinellen Beatmung zu entwöhnen.
Zusätzlich ist es die Aufgabe der Ärzt:innen, mögliche Komplikationen zu erkennen und entsprechende Maßnahmen einzuleiten, z.B. zur Verhinderung von Infektionen oder anderen Atemwegsproblemen. All dies gelingt jedoch nur in engem Austausch mit den anderen Fachkräften.
Pflegefachkräfte: Die kontinuierliche Betreuung
Pflegefachkräfte sind rund um die Uhr an der Seite der Patient:innen und übernehmen wichtige Aufgaben im Weaning-Prozess. Sie kontrollieren regelmäßig die Vitalzeichen wie Herzfrequenz, Sauerstoffsättigung und Atemfrequenz, um eine sichere Entwöhnung zu ermöglichen. Da sie in direktem Kontakt mit den Patient:innen stehen, können Pflegefachkräfte schnell auf Veränderungen reagieren und sicherstellen, dass alle Bedürfnisse rechtzeitig erkannt und erfüllt werden.
Darüber hinaus sind Pflegefachkräfte eine wertvolle Stütze für Angehörige, indem sie Fragen beantworten, Informationen zum Weaning-Prozess geben und mit viel Empathie und Verständnis auf Sorgen und Ängste eingehen.
Atmungstherapeut:innen: Spezialist:innen für Beatmungsmanagement
Atmungstherapeut:innen spielen eine zentrale Rolle im Weaning-Prozess und arbeiten eng mit Ärzt:innen und Pflegekräften zusammen. Sie sind speziell darauf ausgebildet, Patient:innen bei der schrittweisen Entwöhnung von der maschinellen Beatmung zu unterstützen. Ihre Expertise liegt u.a. in der technischen und klinischen Überwachung der Beatmungsparameter, der Optimierung von Atemgeräten und der Schulung des medizinischen Teams.
Ihre Tätigkeit erfordert fundierte Kenntnisse in Beatmungsphysiologie und Krankheitsbildern, die die Lungenfunktion beeinträchtigen. Atmungstherapeut:innen sind meist medizinische Fachkräfte mit Zusatzqualifikation und arbeiten in einem interdisziplinären Team, um eine patientenorientierte Betreuung zu gewährleisten.
Atemtherapeut:innen: Fokus auf ganzheitliche Atemtechniken
Atemtherapeut:innen hingegen arbeiten primär mit nicht-intensivmedizinischen Ansätzen, um die natürliche Atemfunktion zu fördern. Sie sind speziell geschult, um Übungen und Techniken anzuleiten, die die Atemmuskulatur stärken und die Patient:innen dabei unterstützen, ihre Lungenkapazität zu steigern. Sie arbeiten mit gezielten Übungen, die die Atmung verbessern und zu einem schnelleren Fortschritt im Weaning führen.
Mit Techniken wie Atemtraining, Zwerchfellübungen und Entspannungstechniken helfen sie dabei, die natürliche Atemmechanik zu unterstützen. Atemtherapeut:innen sind besonders wichtig für Patient:innen, die lange beatmet wurden und deren Atemmuskulatur durch die maschinelle Entlastung stark geschwächt ist.
Physiotherapeut:innen: Mobilität und Kraftaufbau
Physiotherapeut:innen tragen durch gezieltes Bewegungstraining und Mobilitätsübungen dazu bei, die allgemeine körperliche Kraft und Ausdauer zu verbessern. Gerade nach einer langen Liegezeit auf der Intensivstation kann der gesamte Körper sehr geschwächt sein. Übungen zur Mobilisation und Kräftigung helfen den Patient:innen, wieder Kraft aufzubauen und gleichzeitig die Atmung zu fördern.
Ein weiterer Vorteil der Physiotherapie ist, dass Bewegung die Sauerstoffaufnahme unterstützt und die Lungenfunktion verbessert: Zum einen, weil die Durchblutung verbessert wird (der Kreislauf kommt wieder in Schwung), aber auch, weil der Körper sich im wahrsten Sinn durch Bewegung wieder aufrichtet und die Lunge dadurch mehr Raum bekommt. Auch Techniken wie das kontrollierte Husten und spezielle Lagerungen können Teil der Physiotherapie sein und die Entwöhnung von der maschinellen Beatmung erleichtern.
Logopäd:innen: Unterstützung bei Schluck- und Sprechproblemen
Nach einer Beatmung kann es bei manchen Patient:innen zu Problemen beim Schlucken und Sprechen kommen. Logopäd:innen sind Expert:innen für solche Herausforderungen und unterstützen die Patient:innen dabei, ihre Schluckfunktion zu trainieren und die Stimme wiederaufzubauen.
Logopädische Übungen helfen dabei, die Muskulatur im Hals- und Rachenbereich zu stärken und das Risiko von Komplikationen wie Aspiration (Verschlucken) zu minimieren. Ein wichtiger Schritt, um die Lebensqualität der Patient:innen zu verbessern und ihnen ein sicheres Gefühl beim Essen und Trinken zu geben.
Psycholog:innen: Begleitung bei Ängsten und seelischer Belastung
Die psychische Belastung während des Weaning-Prozesses sollte nicht unterschätzt werden. Viele Patient:innen empfinden Ängste und Unsicherheiten, besonders wenn es darum geht, wieder eigenständig zu atmen. Die Angst vor Luftnot oder gar vor dem Ersticken sind eine immense Belastung für die Patient:innen und stehen dem Weaning häufig im Weg. Psycholog:innen unterstützen die Patient:innen und ihre Angehörigen durch Gespräche, Entspannungstechniken und Übungen zur Angstbewältigung. Außerdem stärken sie die Motivation und erleichtern den Umgang mit Rückschlägen, denn Weaning ist oft ein Prozess mit Höhen und Tiefen. Die psychologische Betreuung kann dabei helfen, die Ängste vor dem Wegfallen der Atemunterstützung abzubauen und den Weg zur Selbstständigkeit zu erleichtern.
Ein weiterer wichtiger Faktor ist die Aufarbeitung des Erlebten. Auf einer Intensivstation aufzuwachen, ist für viele Patient:innen traumatisch: Man ist an Maschinen gekoppelt, kennt weder die Umgebung noch die Menschen um einen herum, dazu kann man aufgrund der Beatmung nicht sprechen, um seine Bedürfnisse zu äußern. Resultat kann das sogenannte Post-Intensive-Care-Syndrom (PICS) sein. Es beschreibt ein Spektrum von körperlichen, kognitiven und psychischen Beeinträchtigungen, die nach einem Aufenthalt auf der Intensivstation auftreten können. Es betrifft sowohl Patient:innen als auch ihre Angehörigen. PICS ist zunehmend als wichtiges Gesundheitsproblem anerkannt, da die Überlebensraten auf Intensivstationen steigen, jedoch viele Patient:innen langfristige Folgen der intensivmedizinischen Behandlung erleben. Auch die Situation, die die Beatmung erst erforderlich machte (z.B. ein Unfall oder eben sehr starke Atemnot) müssen aufgearbeitet werden, um das Risiko von Ängsten, Panik, einer posttraumatischen Belastungsstörung oder Depressionen zu senken.
Ernährungsberater:innen: Unterstützung durch angepasste Ernährung
Auch die richtige Ernährung ist wichtig für den Weaning-Prozess, da der Körper viele Nährstoffe braucht, um die Muskeln und das Immunsystem zu stärken. Ernährungsberater:innen erarbeiten in Absprache mit den Ärzt:innen und Pflegekräften individuelle Ernährungspläne, die den Bedürfnissen und dem aktuellen Zustand der Patient:innen angepasst sind.
Durch eine ausgewogene Ernährung kann die Erholung beschleunigt und die Kraft für die Atmung gestärkt werden. Besonders nach einer langen Zeit ohne eigenständiges Essen ist es wichtig, den Verdauungstrakt langsam wieder an normale Nahrung zu gewöhnen und so eine ausreichende Nährstoffversorgung sicherzustellen.
Sozialarbeiter:innen: Hilfe bei der Planung der Entlassung
Nach einem erfolgreichen Weaning und dem Ende der Intensivpflege steht oft die Rückkehr nach Hause oder in eine Reha-Einrichtung bevor – manchmal auch die Entlassung (zurück) in ein Pflegeheim. Letzteres kann aufgrund von anderen Erkrankungen nötig sein, die sowohl körperlicher als auch psychischer Natur sein können. Auch wenn es in den Reha-Einrichtungen noch keinen freien Platz gibt, besteht für die zeitliche Überbrückung die Möglichkeit einer Kurzzeitpflege.
Unabhängig von der konkreten Ausgestaltung unterstützen Sozialarbeiter:innen die Patient:innen und ihre Angehörigen bei der Organisation der Anschlussversorgung, etwa durch die Vermittlung von Pflegekräften für zu Hause, die Auswahl einer passenden Reha-Klinik oder Pflegeeinrichtung. Auch bei der Antragstellung für Hilfsmittel sind Sozialarbeiter:innen den Betroffenen behilflich. Je nach individuellem Bedarf können dies z.B. Mobilitätshilfen sein (wie Treppenlift, Rollator, Gehstock oder Rollstuhl), Atemtherapiehilfen (wie Inhalations-, Atemtrainings- oder Sauerstoffgeräte), Pflegehilfsmittel, Hilfsmittel für den Alltag (wie Haltegriffe und Stützsysteme oder Greifhilfen) sowie eine ganze Reihe weiterer Hilfsmittel von Kompressionsstrümpfen über Hausnotrufsysteme bis hin zu Kommunikations- und Gedächtnishilfen.
Sie stehen den Familien auch bei Fragen zur Finanzierung und zu möglichen Unterstützungsleistungen zur Seite, um eine reibungslose Entlassung und eine sichere Nachbetreuung zu gewährleisten.
Zusammenfassung
Der Weg zurück zur eigenständigen Atmung erfordert ein starkes, interdisziplinäres Team, das eng zusammenarbeitet und Patient:innen und Angehörige Schritt für Schritt begleitet. Von Ärzt:innen über Pflegefachkräfte bis hin zu Atmungstherapeut:innen, Logopäd:innen und Psycholog:innen – jede Berufsgruppe leistet einen wertvollen Beitrag. Der Prozess mag herausfordernd sein, aber mit vereinter Kraft und fachlicher Unterstützung ist es möglich, das Ziel einer selbstständigen Atmung zu erreichen.
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