In unserer aktuellen Podcast-Folge spricht Frau Litke mit Herrn Prof. Dr. Herth über die Kunst des Weanings und was den Erfolg von Weaning-Zentren ausmacht. Prof. Dr. Herth ist Medizinischer Geschäftsführer der Thoraxklinik Heidelberg, Chefarzt der Pneumologie und Beatmungsmedizin, leitet u.a. das Weaning-Zentrum und ist Studienleiter von PRiVENT. Er gibt einen Einblick in die Arbeit von Weaning-Zentren, spricht über finanzielle Fehlanreize bei der Versorgung von beatmeten Patient:innen und wie PRiVENT dazu beitragen kann, das Weaning in nicht-zertifizierten Intensivstationen zu optimieren.
Was sind die entscheidenden Unterschiede in einem Weaning-Zentrum?
Prof. Dr. Herth sieht einen wichtigen Unterschied zu nicht-zertifizierten Intensivstationen darin, dass sich in einem Weaning-Zentrum alles ausschließlich um das Weaning dreht: Es werden Weaning-Ziele definiert und ein klar strukturierter Prozess wird in Gang gesetzt, der regelmäßig überprüft wird. Alle, die an der Entwöhnung beteiligt sind, richten sich nach dem im interprofessionellen Team festgelegten Behandlungsplan. Auf nicht-spezialisierten Intensivstationen können Behandlungsziele der Patient:innen mit jeder neuen Schicht voneinander abweichen und die Behandlungsteams müssen ein sehr viel breiteres Feld abdecken. Instabile Patient:innen oder neu eingelieferte Notfälle erfordern die Aufmerksamkeit des Personals und es kann schnell mal hektisch werden. Das Weaning läuft daher eher nebenher und oft kommt dazu, dass die Teams von Früh-, Tag- und Spätschicht die Weaning-Bemühungen etwas anders angehen und kein klarer Plan abgestimmt und verfolgt wird.
Wenn alles auf Weaning ausgerichtet ist
Doch genau darin liegt die Kunst des Weanings: Im Weaning-Zentrum profitieren die Patient:innen von einem klaren Behandlungsplan. Einem Protokoll, das nach interprofessionellen Absprachen erstellt wurde. Neben den einzelnen Maßnahmen werden in ihm auch Zwischenziele (sogenannte Milestones oder Meilensteine) festgelegt, die zu einem bestimmten Zeitpunkt erreicht werden sollen.
„Eine Kunst beim Weanen ist, dass man sich als Team versteht, dass das Team ein Konzept entwickelt und dass dieses Konzept dann nachhaltig angewandt wird, aber auch ständig überprüft wird: Funktioniert mein Konzept oder muss ich es vielleicht anpassen?“, erklärt Prof. Dr. Herth.
Es ist viel Erfahrung und Fingerspitzengefühl erforderlich, denn man kann mit vielen kleinen Dingen den Weaning-Prozess nachweislich verbessern. Aber der Prozess braucht Zeit. Es kann schonmal sechs Wochen dauern, Patient:innen zu entwöhnen, die als nicht-entwöhnbar in ein Weaning-Zentrum eingeliefert werden.
Wie kann PRiVENT die Intensivstationen bei der Entwöhnung von Hochrisikopatient:innen unterstützen?
PRiVENT setzt an mehreren Stellen an. Zum einen soll ein Prognosemodell etabliert werden, mit dessen Hilfe schon bei der Einlieferung die Patient:innen identifiziert werden, die ein hohes Risiko für eine Langzeitbeatmung haben. Es geht um die Optimierung des Weaning-Prozesses und die Vermittlung des dafür notwendigen Wissens. In vielen Fällen kann mit Unterstützung des betreuenden Weaning-Zentrums ein Weaning-Plan definiert werden, der in der behandelnden Klinik durchgeführt werden kann.
PRiVENT will dabei helfen, Risikofaktoren für ein erfolgloses Weaning zu erkennen und den beteiligten Kliniken Ansprechparter:innen zur Seite zu stellen, die helfend und beratend zur Seite stehen. So kann ein erfahrenes Weaning-Zentrum dazu anleiten, welche Probleme mit welchen Maßnahmen vor Ort gelöst werden können.
Wenn die Finanzierung kippelt
Ein großes Problem ist, dass Krankenhäuser die Behandlung beatmeter Patient:innen wesentlich höher abrechnen können, als bei entwöhnten Patient:innen. Die Hoffnung ist, dass PRiVENT auch zu einem Umdenken bei der Vergütung von Leistungen beitragen kann. Die Beatmung von Patient:innen ist extrem teuer und belastet auch das Gesundheitssystem. Darum zeigen immer mehr Krankenkassen Interesse an Projekten wie PRiVENT. Mit den Fortschritten in der Medizin steigt die Anzahl von älteren Patient:innen, die durch Komorbiditäten im Fall einer Beatmungsnotwendigkeit ein höheres Risiko haben, Weaning-Patient:innen zu werden und nur schwer entwöhnt werden können. Durch die steigende Zahl von beatmungspflichtigen Patient:innen (auch im häuslichen Bereich) wird immer offensichtlicher, dass das System geändert werden muss, damit die Kosten nicht aus dem Ruder laufen. „Darum bedarf es einer nationalen Struktur und wir alle hoffen, dass PRiVENT da entscheidende Impulse setzen kann“, sagt Prof. Dr. Herth und gibt damit das Schlusswort zu einer sehr interessanten Podcast-Folge.
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In unserem Downloadbereich können Sie sich gerne die Flyer für Patienten oder Fachkreise herunterladen. Auf der Startseite finden Sie darüber hinaus ein Erklärvideo, das PRiVENT kurz und knapp erklärt. Mehr Informationen zum Projekt PRiVENT und rund um die Themen Beatmung und Beatmungsentwöhnung finden Sie auch in unserem Blog und im PRiVENT-Podcast.