Dezember 15, 2024

Warum Reden und kreative Ausdrucksformen bei der Verarbeitung helfen

Nach intensiven Krankenhausaufenthalten, langwierigen Krankheiten oder schweren Schicksalsschlägen fühlen sich viele Menschen überfordert, ängstlich oder isoliert. Sich nach solchen Erlebnissen  zurechtzufinden, ist oft eine Herausforderung. Selbsthilfegruppen, aber auch kreative Therapieformen wie Kunst- und Schreibtherapie bieten wertvolle Unterstützungsmöglichkeiten, um das Erlebte zu verarbeiten und den Weg zurück in den Alltag zu finden.

Selbsthilfegruppen: Ein sicherer Ort für Austausch und Verständnis

Selbsthilfegruppen bringen Menschen zusammen, die ähnliche Herausforderungen durchlebt haben. Für viele Betroffene ist es erleichternd, ihre Erfahrungen zu teilen und dabei auf Verständnis zu stoßen – ohne sich rechtfertigen oder ihre Ängste umfassend erklären zu müssen. Dieser Austausch stärkt und macht deutlich, dass niemand allein mit seinen Sorgen und Ängsten ist.

Innerhalb einer Selbsthilfegruppe können Mitglieder offen über ihre Fortschritte, Rückschläge und Herausforderungen sprechen. Dabei geht es nicht nur um emotionale Entlastung, sondern oft auch um praktische Tipps und neue Perspektiven. Vielleicht hat jemand aus der Gruppe bereits eine ähnliche Situation bewältigt und kann hilfreiche Ratschläge geben, wie man damit umgeht oder an wen man sich wenden kann. Dieser wertvolle Erfahrungsaustausch fördert Zuversicht und Motivation.

Der geschützte Rahmen der Selbsthilfegruppe ermöglicht es außerdem, Themen anzusprechen, die im Alltag häufig unausgesprochen bleiben. Hier finden Fragen und Gefühle Platz, die bei Außenstehenden möglicherweise auf Unverständnis stoßen oder für die sich Betroffene schämen könnten. Eine respektvolle und unterstützende Atmosphäre ist die Grundlage der Gruppenarbeit. In der Gruppe sind alle Teilnehmer:innen gleichberechtigt.

Dank digitaler Technologien können sich auch Menschen mit eingeschränkter Mobilität oder bettlägerige Patient:innen Selbsthilfegruppen anschließen. Die technischen Anforderungen sind gering – ein Smartphone genügt bereits, um an virtuellen Gruppentreffen teilzunehmen.

Wenn Sie einen weiteren Einblick in die Möglichkeiten von Selbsthilfegruppen bekommen möchten, dann hören Sie doch auch noch in unseren Podcast. In der ersten Staffel haben wir in Folge 5 und Folge 6 mit Kerstin Gieser und Dr. Gökçe Karakaş vom Gesundheitstreffpunkt Mannheim über dieses Thema gesprochen.

 

Alternative Wege: Kreative Ausdrucksformen als Ergänzung zur Selbsthilfe

Nicht jede:r findet es leicht, offen über persönliche Erlebnisse zu sprechen. Für manche Menschen ist es angenehmer oder hilfreicher, das Erlebte durch kreative Ausdrucksformen zu verarbeiten. Hier kommen Methoden wie Kunsttherapie und Biographiearbeit ins Spiel. Sie bieten eine alternative Möglichkeit, Gefühle und Gedanken zu ordnen und mit anderen zu teilen, ohne direkt über persönliche Erfahrungen sprechen zu müssen.

Kreative Therapieformen fördern das Selbstbewusstsein und die Selbstwahrnehmung. Viele erleben durch die kreative Gestaltung eine neue Form von Kontrolle und Selbstbestimmung über ihr Erleben, was das Gefühl von Unsicherheit oder Kontrollverlust mindern kann. Diese Techniken können auch als Ergänzung zur Selbsthilfegruppedienen.

Kunsttherapie: Gefühle kreativ ausdrücken

Kunsttherapie bietet eine Möglichkeit, das Erlebte bildhaft und oft nonverbal auszudrücken. Besonders für Menschen, denen das direkte Sprechen über ihre Gefühle schwerfällt, kann die Kunst ein Weg sein, schmerzhafte oder verwirrende Erfahrungen zu verarbeiten. Durch künstlerisches Gestalten, Malen, Zeichnen oder Arbeiten mit verschiedenen Materialien, schafft Möglichkeiten, schwer zugangliche Emotionen auszudrücken.

Der kreative Prozess selbst hat eine entspannende und befreiende Wirkung. Durch das Gestalten von Bildern oder Formen können Patient:innen schrittweise inneren Druck abbauen und ihre Gefühle sortieren. In der Gruppe kann das Teilen der Werke zusätzliche Unterstützung bieten: Die Möglichkeit, über das Gemalte oder Gestaltete zu sprechen, verbindet und schafft oft auch neue Perspektiven. Die Gruppe erkennt und würdigt die Arbeiten und hilft, die darin dargestellten Emotionen zu verstehen und zu verarbeiten.

Kunsttherapie ist besonders hilfreich für Menschen, die Erlebtes auf eine eher visuelle Weise verarbeiten möchten. Sie eignet sich aber auch für alle, die Freude an Farben und Formen finden und ihre Gedanken auf kreative Weise zum Ausdruck bringen möchten. Dabei geht es nicht um künstlerische und technische Fähigkeiten, sondern darum, Gefühle und Gedanken in eine greifbare Form zu bringen.

Schreibtherapie und Biographiearbeit: Die Kraft des geschriebenen Wortes

Für andere Menschen ist das Schreiben eine stärkere Ausdrucksform. Schreibtherapie und Biographiearbeit als eine Unterform bieten die Möglichkeit, das Erlebte in Worte zu fassen und so Klarheit zu gewinnen. Das Aufschreiben von Gedanken und Gefühlen fördert die Selbstreflexion und hilft, das Erlebte aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten und damit u.U. sogar neu zu bewerten. Auch hier ist nicht entscheidend, dass man ein Talent zum kreativen Schreiben hat– es geht allein um das Ordnen und Darstellen der eigenen Wahrnehmungen und Erfahrungen.

Ein besonderer Ansatz innerhalb der Schreibtherapie ist die Biographiearbeit. Hier beschäftigt man sich systematisch mit dem eigenen Leben und verfasst autobiographische Texte, die nicht nur das aktuelle Erleben, sondern auch frühere Erlebnisse und prägende Ereignisse einbeziehen. Indem man wichtige Lebensphasen beschreibt und sich intensiv mit der eigenen Vergangenheit auseinandersetzt, entsteht ein tieferes Verständnis der eigenen Persönlichkeit und Entwicklung. Besonders in Phasen der Veränderung oder nach einschneidenden Erlebnissen kann diese Form des Schreibens ein wichtiges Hilfsmittel sein, um die eigene Geschichte zu akzeptieren und inneren Frieden zu finden.

Schreibtherapie und Biographiearbeit können sowohl in Einzelarbeit als auch in der Gruppe stattfinden. In einer Gruppe kann das Vorlesen der eigenen Texte eine intensive und stärkende Erfahrung sein: Man erfährt Verständnis und Wertschätzung für die eigenen Worte, und oft ergeben sich durch die Texte Gespräche, die eine neue Tiefe im Austausch schaffen.

 

Wie man den richtigen Weg für sich findet

Ob Selbsthilfegruppe, Kunsttherapie oder Schreibtherapie – jede:r muss in sich hineinfühlen, welcher Ansatz am besten passt. Für viele Menschen ist die Kombination aus verschiedenen Methoden besonders hilfreich. So kann es bereichernd sein, einerseits den Austausch in der Selbsthilfegruppe zu nutzen und andererseits durch Kunst- oder Schreibtherapie eine persönliche und kreative Verarbeitung des Erlebten zu fördern. Und natürlich besteht auch die Möglichkeit, in einer Art Tagebuch malerische und zeichnerische Elemente zum Text zu ergänzen. Jede Methode hat ihre eigenen Stärken und kann je nach Persönlichkeit und Bedarf unterschiedlich wirken.

Viele Krankenhäuser und Rehabilitationseinrichtungen bieten solche therapeutischen Angebote an oder können Ansprechpartner:innen für entsprechende Programme empfehlen. Es kann auch hilfreich sein, mit dem oder der behandelnden Ärzt:in oder Therapeut:in über die verschiedenen Möglichkeiten zu sprechen, um eine individuelle und passende Unterstützung zu finden.

 

Fazit: Ein individueller Weg zur Verarbeitung

In und nach schwierigen Zeiten ist es wichtig, sich Zeit und Raum zu nehmen, um das Erlebte zu verarbeiten. Selbsthilfegruppen bieten eine wertvolle Unterstützung durch den Austausch mit anderen, die ähnliche Erfahrungen gemacht haben, und fördern das Gefühl von Gemeinschaft und gegenseitigem Verständnis. Kreative Therapieformen wie Kunst- und Schreibtherapie können außerdem noch einen anderen bzw. weiteren Zugang zu den eigenen Gefühlen und Gedanken bieten.

Ob durch Worte, Bilder oder autobiographische Texte – jede Form der Ausdrucksarbeit hat das Potenzial, Klarheit und innere Ruhe zu schaffen. Wichtig ist, dass jede:r den Weg findet, der sich am natürlichsten anfühlt und am besten zur eigenen Persönlichkeit passt. Wer bereit ist, sich auf diese Prozesse einzulassen, kann oft neue Kraft schöpfen und den eigenen Weg nach vorn besser gestalten.

 

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