Januar 15, 2024

Der lange Weg einer Patientin durch COVID-19

Das Ziel von PRiVENT ist es, beatmete Patient:innen möglichst schnell von der Beatmung zu entwöhnen. Vor allem in der Corona-Zeit haben wir alle uns daran gewöhnt, dass sich die Pandemie in Zahlen ausdrücken und fassen lässt. Doch hinter jeder Zahl und auch hinter dem Sammelbegriff „Patient:innen“ stehen einzelne Schicksale und Geschichten. Eine von diesen möchten wir Ihnen heute erzählen. Aus Gründen des Datenschutzes nennen wir die Patientin Frau Müller und verraten nicht, in welchen der an PRiVENT teilnehmenden Kliniken sie behandelt wurde.

Frau Müller war ein Jahr lang in stationärer Behandlung und konnte vor kurzem in eine Rehaeinrichtung entlassen werden.

 

Der Ausbruch der Krankheit

Frau Müller war 65 Jahre alt, als sie sich mit Corona infizierte. Sie litt bereits unter einer Reihe von Erkrankungen: Adipositas, Schlafapnoe und Bluthochdruck. Außerdem bestand der Verdacht auf eine koronare Herzkrankheit.

Unsere Geschichte beginnt, als Frau Müller kaum noch Luft bekam und ins Krankenhaus musste. Eine erste Untersuchung ergab ein akutes Atemnotsyndrom (ARDS). Der Sauerstoffgehalt im Blut von Frau Müller war bereits kritisch niedrig. Die Corona-Infektion hatte zu einer schweren COVID-19-Pneumonie (Lungenentzündung) geführt.

Die Eskalation: Sepsis und Organversagen

Die Situation verschlimmerte sich sehr schnell dramatisch. Frau Müller bekam eine Blutvergiftung, die auch als Sepsis bezeichnet wird und bei ihr zu einem Multiorganversagen führte. Frau Müller musste auf die Intensivstation verlegt und beatmet werden. Begleitend hatte sie sogenannte „Critical Illness Polyneuropathie/Myopathie“ (CIP/CIM) entwickelt: Die Infektion und vor allem die Entzündungsreaktion des Körpers griffen die Nerven an. Dadurch konnten die Muskeln nicht mehr richtig arbeiten – auch die Atemmuskulatur war davon betroffen. Und auch die Nierenfunktion von Frau Müller war extrem stark beeinträchtigt, weshalb sie an eine Dialyse angeschlossen werden musste

Der Kampf um jeden Atemzug

Drei Monate lang musste Frau Müller über eine Trachealkanüle invasiv beatmet werden. Drei Monate, in denen sie auch immer wieder mit Infektionen und Phasen eines hyperaktiven Delirs kämpfen musste – einem Zustand der Verwirrung, der häufig bei kritisch kranken Patient:innen auftritt. Sobald es möglich war, wurde Frau Müller mobilisiert. Sie war wach und orientiert und konnte auch wieder in einem Stuhl sitzen. Doch obwohl Frau Müller ab einem gewissen Punkt tagsüber wieder über eine Spontanatmung verfügte, gelang die Entwöhnung von der invasiven Beatmung nicht. Spontanatmung bedeutet, dass sie selbstständig und ohne maschinelle Unterstützung ein- und ausatmen konnte. Ihr Körper und ihre Atemmuskulatur waren jedoch zu geschwächt, um dauerhaft wieder selbst zu atmen und ihren Körper mit ausreichend Sauerstoff zu versorgen.

Ein Wendepunkt: Das Weaning-Konsil

Ein entscheidender Moment in ihrer Genesung war für Frau Müller das Weaning-Konsil im Rahmen des PRiVENT-Protokolls. Da das behandelnde Krankenhaus nicht über die Möglichkeiten verfügte, um Frau Müller von der Beatmung zu entwöhnen, kam man gemeinsam zu dem Schluss, sie in das betreuende Weaning-Zentrum zu verlegen. Hier wurde ein genau auf Frau Müller abgestimmter Weaning-Prozess erarbeitet und konsequent verfolgt. Dadurch gelang es, Frau Müller innerhalb von nur acht Tagen von der Beatmungsmaschine zu entwöhnen und die Trachealkanüle zu entfernen!

Nach diesem Erfolg wurde eine nicht-invasive Beatmung (NIV) eingeleitet, um Frau Müllers Atmung weiter zu unterstützen. Dies war besonders wichtig, da der Verdacht auf eine obstruktive Schlafapnoe (OSAS) bestand. Die NIV wurde begleitet von intensivierter Physiotherapie, die entscheidend für ihre weitere Erholung war. Frau Müllers Zustand verbesserte sich nach und nach, sodass auch die Dialyse bald beendet werden konnte, da ihre Nieren sich erholt hatten.

Der lange Weg der Rehabilitation

Worunter Frau Müller jedoch trotz der intensiven Physiotherapie im Weaning-Zentrum weiterhin litt, waren Lähmungen in ihren Armen und Beinen. Darum wurde für Frau Müller ein Antrag auf eine neurologische Rehabilitation gestellt. Bis sie einen Platz in der Reha erhielt, wurde sie zunächst zurück in das ursprüngliche Krankenhaus verlegt. Da sie durch die lange Liegezeit mehrere Druckgeschwüre (Dekubiti) entwickelt hatte, wurden diese dort operativ behandelt.

Unter einer intensivierten Physio- und Ergotherapie konnte Frau Müller bis zum Ende des Krankenhausaufenthalts ihre Beweglichkeit und Eigenständigkeit so weit verbessern, dass sie zumindest am Unterarm-Gehwagen wieder kürzere Strecken zurücklegen konnte.

Der finale Schritt: Geriatrische Rehabilitation

Sechs Monate nach der Rücküberweisung ins Krankenhaus und elf Monate nach Beginn der Erkrankung wurde Frau Müller aus dem Krankenhaus in eine geriatrische Anschlussrehabilitation verlegt. Sie macht täglich Fortschritte – doch bis sie wieder auf dem Stand ist, den sie vor ihrer Erkrankung hatte, hat Frau Müller noch weitere Behandlungen vor sich.

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